Das Strategie Handbuch – nützliche Grundlagen, Methoden und Leitfragen für die Strategieentwicklung

Strategie ist ein Begriff, den man oft hört und doch ungreifbar bleibt. Strategie kann abgehoben erscheinen, sollte es aber nicht sein, denn sie spielt eine wichtige Rolle für den Organisationserfolg. Was ist Strategie genau und wie entwickelt man eine? Dieser Text hat das Ziel, den Strategiebegriff zu entmystifizieren, und versteht sich als pragmatische Einführung in das Thema Strategieentwicklung. Im Zuge der Lektüre werden wir Vorgehensweisen, Methoden, Werkzeuge und Leitfragen sowie weitere hilfreiche Grundlagen kennenlernen.

Strategie Strategieentwicklung Methoden Management

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Strategische Grundlagen Strategieentwicklung Strategie Unternehmensführung

Inhaltsübersicht

Dieser Artikel behandelt Grundlagen, stellt Werkzeuge vor und gibt Tipps für den eigenen Strategieprozess. Hier eine Übersicht zu allen Themen dieses Artikels, der auch als Strategie Handbuch erhältlich ist.

Strategische Grundlagen

  • Der chinesische Krieger im Sitzungszimmer
  • Einzigartigkeit – oder tausend Nein für ein Ja
  • Die Strategie im Möbelhaus: ein Anschauungsbeispiel
  • Die zwei häufigsten Strategie-Typen

Strategieentwicklung: Methoden, Leitfragen und Mindset

  • Der Strategie Werkzeugkasten im Überblick
    • Die Wettbewerbsanalyse
    • Der ressourcenorientierte Ansatz
    • Die Ansoff-Methode
    • Die Blue Ocean Strategie
    • Die SWOT-Analyse
    • Die STE(E)P-Analyse
    • Der Rumsfeld Ansatz
  • Strategieentwicklung: Der Weg und das Ziel
  • Die vier Schritte der Strategieentwicklung
  • Fünf Leitfragen für die Strategie
  • Nordstern: der Strategiestern am Himmel
  • Strategieentwicklung als Gespräch
  • Das Strategie-Mindset
  • Die Sprache der Strategie
  • Strategie in der VUCA-Welt
  • Ein diversifiziertes Strategieportfolio

Zusammenfassung

Quellen und mehr

 

Strategische Grundlagen

In diesem eröffnenden Kapitel nähern wir uns den Strategiegrundlagen mithilfe von Beispielen an. Dabei lernen wir kennen, welche Arten der Strategie es gibt und wie diese im Grundsatz entstehen. In einem späteren Kapitel werden wir dann auf den konkreten Prozess eingehen, wie eine Strategie entwickelt werden kann.

Der chinesische Krieger im Sitzungszimmer

Strategie hat sehr viele Facetten und geht schon Jahrtausende zurück. Ihren Ursprung hat die Strategie in der Kriegsführung und findet sich im Buch «Die Kunst des Krieges» von Sun Tsu, wo er darüber reflektiert, was die besten Wege sind, um einen Krieg zu gewinnen. Spoiler Alert: Der beste Weg einen Krieg zu gewinnen, ist ohne Schlacht, sondern durch List und Täuschung.

Die meisten von uns müssen glücklicherweise keinen Krieg gewinnen, sondern wollen mit ihrer Organisation oder ihrem Team erfolgreich sein. In diesem, uns vertrauteren Kontext ist das Konzept «Strategie» im Vergleich zu dessen Ursprung in China relativ jung. Wie wir später sehen werden, gehen die Urgesteine der Strategie im Wirtschaftsumfeld auf die 1960er-Jahre zurück.

Ein gemeinsamer Nenner des Strategiebegriffes ist jedoch über die vielen Jahrhunderte unverändert geblieben: Strategie hat stets mit einem langfristigen Blick und einer langfristigen Planung zu tun. Wenn Taktik darüber entscheidet, wie man eine Schlacht gewinnt, gibt die Strategie vor, wie der Krieg gewonnen wird.

Einzigartigkeit – oder tausend Nein für ein Ja

Ergänzend zur langfristigen Perspektive zielt die Strategie in der Welt von Unternehmen und anderen Organisationen auch darauf ab, dass man eine gewisse Einzigartigkeit entwickelt. Denn eine Strategie besteht zu einem grossen Teil auch daraus, sehr bewusste Entscheidungen zu fällen, was man sein will und eben auch explizit nicht sein will. Der langjährige Chefdesigner von Apple, Jony Ive, sagte einmal: «Für jedes Ja brauchen wir tausend Nein.»

Eine Strategie zu haben, heisst also auch, sich darüber im Klaren zu sein, wie man sich durch seine bewussten Entscheidungen, Prioritäten und Aktivitäten von anderen unterscheidet oder sogar abhebt. Strategie ist also auch eine Aussage darüber, was der eigene und hoffentlich einzigartige Mix ist aus ebendiesen Entscheidungen, Prioritäten und Aktivitäten.

Oftmals hat dieser eigene Mix einen starken Bezug dazu, wer die Kunden sind, was man ihnen bietet – und was nicht – oder auch wie man mit ihnen umgeht. Und «Kunde» ist hier breit gefasst und meint sowohl Kunden im herkömmlichen Sinne eines Geschäfts, das ein Produkt verkauft, wie auch beispielsweise die Kunden respektive die Zielgruppe einer Non-Profit-Organisation oder NGO.

Die Einzigartigkeit lässt sich unter anderem durch verschiedene Positionierungen erzielen. Drei kategorische Beispiele:

  1. Man kann sich in erster Linie durch spezifische Produkte oder Dienstleistungen unterscheiden. (Beispiel: Spezialisierung auf die Produktion und den Vertrieb sehr spezifischer Werkzeug-Typen, weil die Firma einzigartiges Know-how besitzt)
  2. Man kann sich durch den Fokus auf eine sehr spezifische Kundengruppe und deren Bedürfnisse unterscheiden. (Beispiel: Sehr vermögende Familien für Privatbanken oder junge Frauen in Entwicklungsländern als Zielgruppe einer NGO)
  3. Man kann sich durch den Fokus auf eine spezifische Kundengruppe mit bestimmten Rahmenbedingungen unterscheiden. (Beispiel: Fokus auf Bevölkerung in ländlichen resp. nicht dicht besiedelten Gebieten)

Die Strategie im Möbelhaus: ein Anschauungsbeispiel

Spielen wir die strategische Positionierung anhand eines bekannten Beispiels einmal durch. Das Möbelhaus IKEA zielt mit seiner Strategie primär auf junge Menschen mit geringem Budget – also eine spezifische Kundengruppe mit deren Bedürfnissen.

Aus diesem Kundensegment lassen sich ein paar beispielhafte Kunden skizzieren wie beispielsweise die junge Studentin, welche ihr erstes WG-Zimmer einrichtet, oder eine junge Familie, die wegen des frisch geborenen Nachwuchses in eine neue Wohnung zieht.

Beide skizzierten Kunden haben in der Tendenz das Bedürfnis, ein ganzes Zimmer oder gar grosse Teile eines Haushaltes auf einmal auszustatten – und das zu geringen Kosten. Aus diesem Grund ist es naheliegend, die Verkaufsfläche von IKEA nicht nach Produktkategorie zu organisieren (z.B. eine Sofa-Abteilung, eine Matratzen-Abteilung etc.), sondern im Geschäft mehrere fertig eingerichtete Zimmer in verschiedenen Stilen darzustellen. Dadurch unterscheidet sich IKEA stark von anderen Möbelhäusern, die beispielsweise das auf eine ältere, wohlhabendere Kundschaft fokussieren, die meist nur noch einzelne Produkte (z.B. ein Designer-Sofa) kaufen will.

Die Strategie, in erster Linie junge Menschen mit geringem Budget zu bedienen, bedingt gewisse Trade-offs respektive Abwägungen, Priorisierungen und Entscheidungen. So gewichtet IKEA den tiefen Preis der Produkte beispielsweise höher als Kundenservice. Entsprechend sucht man die persönliche, eingehende Beratung vergebens und muss die Möbel in der Lagerhalle selbst suchen und zuhause zusammenbauen. Dies ist eines von vielen Beispielen, das zeigt, wie wichtig es ist, strategisch sinnvolle Trade-offs respektive Priorisierungen und Entscheidungen vorzunehmen. Allen Kunden alles anbieten zu wollen, wird als Strategie nie funktionieren. Entscheidungen sind nötig – und zwar möglichst viele.

Je mehr Entscheidungen und Priorisierungen für eine Strategie vorgenommen werden, umso einzigartiger und schwerer zu kopieren wird ebendiese Strategie. Und dieser Schutz vor «copy cats» – also Nachahmer Ihrer Strategie – ist ein massgeblicher Wettbewerbsvorteil.

Wichtig bei diesem Mix aus verschiedenen Entscheidungen, Priorisierungen und Aktivitäten ist, dass die daraus entstehende Strategie mehr ergibt als die Summe ihrer Teile. Alle Elemente müssen gut zusammenpassen und ein sich verstärkendes System aus verschiedenen Entscheidungen und Aktivitäten ergeben. Das heisst, die verschiedenen Priorisierungen und Aktivitäten sollten mindestens zueinander konsistent sein und so zu einem sinnvollen Aktivitätssystem zusammengeflochten werden. Im Idealfall haben die verschiedenen Komponenten eines Aktivitätssystems respektive verschiedene Aktivitätssysteme innerhalb von grösseren Organisationen sogar eine gegenseitig positiv verstärkende Wirkung und machen den Gesamtbetrieb effizienter und effektiver.

Das Aktivitätssystem unseres Beispiels IKEA ist unten bildhaft dargestellt. Diese Analyse geht auf einen der grossen Geschäftsstrategen Michael Porter zurück, von dem wir in diesem Text noch einige Male lesen werden.

 

In Organisationen mit mehreren Hierarchiestufen und Aktivitätssystemen, die alle auf ein Ziel hinarbeiten müssen, empfiehlt es sich, diese Systeme in der Hierarchie von unten nach oben miteinander zu integrieren. Wenn z.B. mehrere Bereiche mit ihren jeweiligen Systemen durch gemeinsame Aktivitäten voneinander profitieren könnten, kann eine Hierarchiestufe oberhalb geschaffen werden mit einem eigenen Aktivitätssystem, das den Subgruppen dient. Zum Beispiel: IKEA verkauft sowohl fixfertige Produkte wie Kerzen oder Geschirr, hat aber auch unzählige modulare Möbel wie Bücherregale oder Bürotische im Angebot, welche der Kunde selbst zusammenbaut. In diesem Beispiel macht es Sinn, alle modularen Möbel mit den verschiedenen Subgruppen (Bücherregale, Bürotische etc.) in einem höhergelagerten Aktivitätssystem miteinander zu integrieren. Dieser höhergelegene, integrierte Bereich kann nun nämlich alle Subgruppen mit einer gemeinsamen Produktion unterstützen. Die gemeinsame Produktion kauft Rohstoffe für alle Subgruppen zu günstigeren Konditionen ein, als wenn alle Subgruppen für sich (ohne Integration von unten nach oben) den Einkauf bewerkstelligen müssten. Die Produktion kann auch die Herstellung aller modularen Möbel übernehmen, anstatt dass alle Subgruppen eine eigene Herstellung finanzieren müssten. So profitieren alle Subgruppen und für die Gesamtfirma werden Kosten gespart und Wettbewerbsvorteile ausgebaut.

Jede Hierarchiestufe hat nur eine Daseinsberechtigung, wenn sie einen Mehrwert bietet. Neben dem Bündeln gemeinsamer Aktivitäten, von denen alle Subgruppen profitieren, könnte z.B. auch Mehrwert durch den Transfer von Kompetenzen und Wissen zwischen den Subgruppen geschaffen werden. Das gern benutzte Zauberwort heisst hier: Synergien schaffen durch gute Entscheidungen und Integrationen.

 

Organisationen bestehen also aus einem oder mehreren Aktivitätssystemen, die allesamt auf (anspruchsvollen) Entscheidungen, Abwägungen und Priorisierungen basieren.

Als Gedankenspiel können Sie sich das nächste Mal, wenn Sie in einem Geschäft sind, die Frage stellen, welche Abwägungen hier wohl gemacht wurden, wie diese zu einer Differenzierung beitragen und welche Rückschlüsse sich auf die Strategie daraus ergeben.

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Die zwei häufigsten Strategie-Typen

Auch wenn jede Organisation im Detail eine eigenständige, auf sich zugeschnittene Strategie entwickeln sollte, gibt es dennoch gemeinsame Nenner und praktisch alle Strategien lassen sich in zwei Arten aufteilen:

  • Die Strategie der Kostenführerschaft
  • Die Strategie der Differenzierung

Diese beiden Strategie-Arten gehen ebenfalls auf Michael Porter zurück, der mit «What Is Strategy?» einen Klassiker geschaffen hat und dessen Inhalt in diesem Text an verschiedenen Stellen einfliesst.

Kostenführerschaft bedeutet, dass man sich primär über den Preis definiert (z.B. tieferer Preis bei gleicher Qualität wie die Konkurrenz) und die Differenzierungsstrategie meint, dass man sich abheben und differenzieren will über eine gewisse Einzigartigkeit oder ein besonderes Erlebnis. Während IKEA einer Strategie der Kostenführerschaft zugewiesen werden kann, ist die Differenzierungsstrategie per Definition die vorherrschende Strategie bei Luxusmarken, wobei sie auch bei normalen Konsumgütern vorkommen kann. Man denke beispielsweise an Apple mit seinem Ökosystem bestehend aus äusserst nutzerfreundlichen und hochwertig designten Produkten, die deutlich teurerer sind im Vergleich zur Konkurrenz.

Beide Strategien können zum Erfolg führen und welche am besten passt, muss jede Organisation für sich selbst herausfinden. Die richtige Strategie hängt davon ab, wie der Markt aussieht und was er vorgibt – allesamt externe Faktoren – sowie welche eigenen Stärken und Ressourcen man hat – die internen Faktoren. Um die richtige Strategie zu finden, lohnt es sich, sowohl die externen als auch die internen Faktoren zu beachten und in einem iterativen Prozess miteinander zu harmonisieren.

Im Zweifelsfall ist es wichtiger, zu wissen, was der Markt nachfragt, und sich danach zu fragen, wie man mit den internen Faktoren am besten diese Bedürfnisse bedienen und sich vielleicht sogar noch differenzieren kann. Denn letztlich will man anbieten, was der Markt nachfragt und was man basierend auf den eigenen Stärken auf hervorragendem Niveau dank einem möglichst einzigartigen System aus verschiedenen Aktivitäten quasi konkurrenzlos abliefern kann.

Die meisten Organisationen probieren, eine Differenzierungsstrategie zu verfolgen, weil man dort einzigartiger ist und entsprechend auch höhere Preise verlangen kann. In der Realität gelingt das aber nicht allen. Und dann ist ein Strategiewechsel nötig, weil die beiden Strategie-Typen nicht vermischt werden sollten. Hier gilt entweder oder: Kostenführerschaft oder Differenzierung.

Im nächsten Kapitel steigen wir in die Frage ein, wie eine eigene Strategie mit verschiedenen Methoden und Leitfragen entwickelt werden kann.

Strategieentwicklung: Methoden, Leitfragen und Mindset

Nach den obigen Grundlagen soll es nun einen Schritt weiter in die Strategieentwicklung gehen. Dafür werden auf den folgenden Seiten verschiedene Methoden, Leitfragen und sonstige Anregungen für die Entwicklung einer Strategie zusammengetragen; angefangen mit einer Übersicht zu verschiedenen bekannten   und beliebten Strategiewerkzeugen. Nachdem wir den Werkzeugkasten gefüllt haben, werden wir diesen mitnehmen zu den anschliessenden Kapiteln über den Prozess, mit dem Strategien entwickelt werden können.

Der Strategie Werkzeugkasten im Überblick

Für die Strategieentwicklung kann ein ganzer Werkzeugkasten voller unterschiedlicher Methoden und Ansätze zu Rate gezogen werden. Nicht jedes Problem erfordert einen Hammer, manchmal braucht es auch einen Schraubenzieher oder eine Wasserwage. Entsprechend haben die verschiedenen Strategiewerkzeuge auch unterschiedliche Anwendungsfelder und Stärken.

In der Folge finden wir ein paar Klassiker, die sicher die eine oder andere nützliche Anregungen bieten. Offenkundig ist dies nur eine kurze Vorstellungsrunde und in keiner Weise eine komplette Abhandlung. Bei Interesse lohnt sich also die Auseinandersetzung mit den einzelnen Methoden.

Die Wettbewerbsanalyse

Der Ansatz der Wettbewerbsanalyse stammt vom bereits erwähnten Altmeister der Strategie Michael Porter, der seine Thesen 1980 im Buch «Competitive Strategy: Techniques for Analyzing Industries and Competitors» veröffentlichte.

Bei der Wettbewerbsanalyse befasst man sich mit den Marktstrukturen und startet die Strategieentwicklung mit einem Fokus auf die Gegebenheiten und Wirkungskräfte des Marktes – also externe Faktoren. Ziel ist, dass man die eigene Organisation optimal im Markt oder in einer Branche positionieren kann, weil dadurch strategische Wettbewerbsvorteile entstehen.

Bei der Wettbewerbsanalyse identifizierte Porter fünf Wirkungskräfte des Marktes und daraus abgeleitet stellen wir uns bei dieser Methode fünf Fragen:

  • Wie sieht die «Bedrohung» durch neue Konkurrenten aus?
  • Wie könnten wir ersetzt respektive überflüssig werden? Anders formuliert: Von welchen Substituten könnten wir bedroht werden?
  • Wie mächtig sind die Lieferanten in diesem Markt? Wie stark ist die Verhandlungsposition von Lieferanten?
  • Wie mächtig und verhandlungsstark sind die Kunden oder Abnehmer unseres Produktes oder Dienstleistung?
  • Wie steht es um die Rivalität zwischen den verschiedenen Wettbewerbern?

Das Resultat dieser Wettbewerbsanalyse mündet oftmals in eine der beiden Strategiearten, die weiter oben in diesem Text bereits erwähnt wurden. Das wären die Strategie der Kostenführerschaft oder die Differenzierungsstrategie. Auch möglich wäre eine dritte Art: die Nischenstrategie.

Der ressourcenorientierte Ansatz

Im Gegensatz zur Wettbewerbsanalyse, welche auf externe Marktkräfte fokussiert, schaut der ressourcenorienterte Ansatz geprägt von Gary Hamel und C.K. Prahalad auf interne Faktoren wie z.B. die Kernkompetenzen einer Organisation.

Hier liegt die These zugrunde, dass nicht die Produkte oder Dienstleistungen, die extern am Markt angeboten werden, ausschlaggebend sind für den strategischen Erfolg, sondern die internen Prozesse, Fähigkeiten und Kompetenzen.

Wegen dem Fokus auf Kernkompetenzen lohnen sich hier folgende Fragestellungen:

  • Welche unserer Kompetenzen schaffen einen hohen Kundennutzen?
  • Welche Kompetenzen sind nur schwer zu imitieren?
  • Welche Kompetenzen eröffnen uns Zugang zu vielen verschiedenen Märkten?

Wichtig bei diesem Ansatz ist auch, nicht nur auf die Kernkompetenzen des Hier und Jetzt respektive bereits existierender Märkte zu fokussieren, sondern die Perspektive auch auf die Zukunft und auf neue Märkte zu öffnen. Daraus ergeben sich Fragen wie beispielsweise:

  • Welche Kernkompetenzen müssen wir ausbilden, um in den relevanten Märkten der Zukunft gut positioniert zu sein?
  • Wie können wir unsere existierenden Kernkompetenzen kreativ nutzen, um neue Opportunitäten zu erschliessen?

Dabei sei erwähnt, dass wir uns nicht auf eine dieser hier aufgeführten Methoden limitieren müssen. Es kann auch gewinnbringend sein, z.B. die Wettbewerbsanalyse mit dem ressourcenorientierten Ansatz zu kombinieren, um so ein noch vollständigeres, strategisches Bild zu erhalten.

Die Ansoff-Methode

Ein weiterer Klassiker in der Strategieentwicklung stammt von Harry Igor Ansoff, der in seinem Ansatz aus den 1960er-Jahren Produkte und Märkte miteinander kombiniert. Wie so oft in der Strategiedomäne entsteht dadurch eine Matrix mit folgenden vier Kombinationen:

  • Bestehende Produkte und Märkte: Marktdurchdringung als Hauptmotiv
  • Bestehende Produkte und neue Märkte: Marktentwicklung als Leitprinzip
  • Neue Produkte und bestehende Märkte: Produktentwicklung im Fokus
  • Neue Produkte und Märkte: Diversifikationsstrategie

Bei der Marktdurchdringung handelt es sich um das Ziel, in einem bestehenden Markt zu wachsen und möglichst hohe Marktanteile zu erreichen. Bei der Marktentwicklung will man mit bestehenden Produkten neue Marktsegmente erschliessen. Bei der Produktentwicklung will man mit neuen Produkten Kundenbedürfnisse in bestehenden Märkten besser bedienen. Bei der Diversifikation geht man gänzlich neue Wege und will mit neuen Produkten in neuen Märkten aktiv werden.

Die Blue Ocean Strategie

Ein relativer Newcomer unter den Strategieentwicklungsansätzen ist die Blue Ocean Strategie, welche auf eine gleichnamige Publikation von W. Chan Kim und Renée Mauborgne aus 2004 zurückgeht.

Mit dem blauen Ozean sind neue, unerschlossene, konkurrenzfreie Märkte gemeint und stehen damit im Gegensatz zu den «red oceans», wo man sich in etablierten Märkten mit Konkurrenten herumschlagen muss, um beim Bedienen der existierenden Nachfrage das Rennen zu machen. In diesem Kontrast wirkt der konkurrenzfreie Markt, der mit der «blue ocean» Strategie erreicht werden soll, natürlich als sehr attraktiv. Im unversehrten blauen Ozean sind wir als (vorübergehender) Monopolist gut positioniert, während der rote Ozean vom blutigen Konkurrenzkampf eingefärbt wird.

Ein Ansatz von Kim und Mauborgne ist die sogenannte «Value Innovation». Das Ziel hierbei ist, ein innovatives, neues Wertversprechen zu formulieren und dadurch neue Nachfrage zu schaffen und neue Märkte zu eröffnen. Bei der Blue Ocean Strategie nimmt man also Marktgegebenheiten und Regeln nicht als gegeben und unbeweglich hin, sondern hat den Anspruch, gänzlich neue Marktregeln und -strukturen zu kreieren, in denen man sich dann bestens positionieren kann. Mit der Blue Ocean Strategie versuchen wir also, aus den gegebenen Marktstrukturen auszubrechen.

Im Value Innovation Prozess versuchen wir, gleichzeitig eine Differenzierung und Kostenreduktion zu erzielen – ein Ziel, das im Widerspruch steht zur These von Michael Porter, wonach eine Organisation nicht beides gleichzeitig sein kann, sondern entweder die Kostenführerschaft übernehmen oder sich durch Differenzierung abheben kann. Hieran sieht man übrigens auch, dass unter den verschiedenen Strategiewerkzeugen auch konzeptionelle Differenzen bestehen können.

Zurück zur Value Innovation. In deren Zusammenhang stellen sich Fragen wie zum Beispiel:

  • Was müssen wir mehr oder besser machen, um noch mehr und / oder neuen Wert zu schaffen?
  • Was müssen respektive können wir reduzieren oder gänzlich eliminieren, um Kosten zu reduzieren oder dadurch gar einen neuen Markt zu kreieren?
  • Was könnten wir erfinden, um uns abzuheben und einen eigenen Markt zu schaffen?

Ein Beispiel für den blue-ocean-Ansatz, könnte der weltbekannte Cirque du Soleil sein, der Tiere oder individuelle Stars eliminiert hat (das reduziert Kosten und trägt zu einem neuen Marktsegment bei) und dafür das Zirkusformat mit Elementen einer Oper oder eines Ballets ergänzt hat. So entstand ein einzigartiges Marktsegment, in dem Cirque du Soleil sogleich zum quasi Monopolisten und Marktführer wurde. Diese Position ist aber in der Regel nur vorübergehend, weil auch andere in diesen Markt eintreten können.

Die SWOT-Analyse

Die SWOT-Analyse ist das gemeinhin wohl bekannteste Werkzeug in dieser Übersicht. SWOT ist ein Akronym und steht für Stärken, Schwächen (Weaknesses), Chancen (Opportunities) und Bedrohungen (Threats). Bei dieser Methode geht es also darum, dass man eine selbstkritische Auseinandersetzung mit ebendiesen vier Faktoren führt.

 

Interessant wird es dann, wenn die vier Faktoren in einer Matrix kombiniert werden. Dadurch entstehen Kombinationen wie zum Beispiel die SO-Kombination für die Überlappung von Stärken und Chancen oder die gegenteilige WT-Kombination, wo Bedrohungen auf Schwächen prallen. Hier eine beispielhafte Fragestellung pro Kombination:

  • SO-Kombination (Stärken und Chancen): Wie können wir unsere Stärken nutzen, um neue Opportunitäten zu schaffen?
  • ST-Kombination (Stärken und Bedrohungen): Wie können wir unsere Stärken nutzen, um gewisse Gefahren abzufedern oder gar abzuwenden?
  • WO-Kombination (Schwächen und Chancen): Wie können wir eine Schwäche in eine Position der Stärke verwandeln?
  • WT-Kombination (Schwächen und Bedrohungen): Was ist unsere Achillesferse, wo die Bedrohung real ist und wir ihr kaum aus eigener Kraft entgegentreten können?

Diese SWOT-Matrix liefert uns also Hinweise, welche Aktivitäten wir weiterverfolgen sollten oder auch wo wir verletzlich sind und dringend eine «Verteidigungsstrategie» entwickeln müssen.

Die STE(E)P-Analyse

Schon wieder treffen wir auf ein Akronym. Dieses Mal steht es für soziokulturelle, technologische, ökonomische (economic) und politische Faktoren – kurz STEP. Heutzutage sind Organisationen gut beraten, wenn sie diesen vier Buchstaben noch ein weiteres E für ökologische (ecologic) Faktoren hinzufügen.

Ähnlich wie die Marktanalyse von Porter richtet auch diese Analyse den Blick auf die Umwelt und wie sie sich langfristig entwickeln wird, anstatt sich auf innere Themen zu fokussieren. Allerdings weitet die STE(E)P-Analyse den Blick noch weiter aus, da sie nicht nur den eigenen Markt oder die eigene Branche anschaut, sondern die Welt insgesamt. Entsprechend eignet sich diese Methode, um langfristige Einflüsse zu kartographieren.

Hier sind ein paar Beispiele, welche Themenfelder innerhalb der STE(E)P-Dimensionen angeschaut werden könnten:

  • Sozioökonomische Themen (S): demografische Entwicklung, Wandlung des Lebensstils und der Werte, Einkommensentwicklung der Bevölkerung, Bildung etc.
  • Technologische Themen (T): Fortschritte bei der künstlichen Intelligenz, Quantum Computer, Robotik, Blockchain, Materialforschung, CleanTech, Forschung und Entwicklungsschwerpunkte von Nationen etc.
  • Ökonomische Themen (E): Wirtschaftswachstum des Produktionslandes oder von Zielmärkten, Entwicklung der Staatsverschuldung, der Finanzmärkte, Zinsen, Inflation, Währungsschwankungen etc.
  • Ökologische Faktoren (E): Klimaerwärmung, Zunahme extremer Wettersituationen, Verlust von Biodiversität etc.
  • Politische Themen (P): politische Trends beispielsweise hin zu mehr Gesetzgebung im Bereich Nachhaltigkeit und Klima, politische und rechtstaatliche Stabilität im eigenen Land oder in Zielmärkten, politische Stimmung für und gegen gewisse Akteure etc.

All diese Faktoren können einen signifikanten Einfluss haben auf den Verlauf der Welt und entsprechend auf die langfristige strategische Positionierung.

Der Rumsfeld Ansatz

Bei so weitreichenden, langfristigen Trends ist klar, dass wir nicht alles mit Sicherheit wissen können. Wir brauchen also auch ein Werkzeug, um unseren Wissensstand zu analyisieren.

Der Politiker Donald H. Rumsfeld war Verteidigungsminister der USA von 1975 – 1977 und nochmals von 2001 – 2006. An einer Pressekonferenz im Frühjahr 2002 sagte er, es gebe bekanntes Wissen («known knowns») aber auch unbekanntes Nicht-Wissen («unknown unknowns»). Dazwischen liegt bekanntes Unwissen sowie noch unbekanntes Wissen.

Dieser Blick auf den Wissensstand und dessen Einschätzung ist auch für die Strategieentwicklung hilfreich, denn wir sollten uns immer fragen, was wir wissen, nicht wissen und wo auch sogenannte «blinde Flecken» liegen könnten. Ohne uns Gedanken gemacht zu haben über den Wert unseres Wissens, können wir keine zielführende Risikoabwägung vornehmen. Mit Rumsfeld können wir einmal mehr eine Matrix aufspannen.

 

Am spannendsten sind die Fragen, was wir tun können beim uns (noch) unbekannten Wissen und dem bekannten Nicht-Wissen, wo wir uns bewusst sind, dass wir etwas nicht verstehen. Natürlich wäre es auch sehr nützlich, das unbekannte Nicht-Wissen irgendwie in Erfahrung zu bringen, doch dies ist uns per Definition nicht möglich. Hier handelt es sich um Unvorhersehbares – auch bekannt als «schwarze Schwäne» (siehe hierzu das gleichnamige Buch von Nassim Nicholas Taleb).

Beim uns (noch) unbekannten Wissen, müssen wir versuchen, unseren «blinden Fleck» zu entdecken, denn das Wissen und die Informationen wären eigentlich verfügbar, wir wissen aber nicht, wo wir genau hinschauen müssen. Offenheit für Impulse von aussen und Zufälle fördern, kann in dieser Situation helfen.

Beim bekannten Nicht-Wissen sind wir uns bewusst, dass wir etwas noch nicht verstehen. Man könnte auch sagen, dass wir in dieser Konstellation zwar die Variabel auf dem Schirm haben, deren Wert aber (noch) nicht kennen. Im Gegensatz zum unbekannten Wissen sind wir uns hier also dem Problem oder der Herausforderung bewusst, kennen die Lösung aber noch nicht. Weil auch andere das gesuchte Wissen nicht haben, lohnt es sich hier also zu experimentieren, um das Wissen zu schaffen.

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Strategieentwicklung: Der Weg und das Ziel

Nun da wir einen prall gefüllten Werkzeugkasten für die Strategieentwicklung haben, können wir in den Prozess eintauchen, um selbst eine Strategie zu formulieren.

Jede Organisation – vom internationalen Konzern bis zum lokalen Verein – braucht ein Ziel und einen Weg. Man kann daher sagen, dass Organisationen zumindest eine implizite, unausgesprochene Strategie haben. Denn Strategie muss nicht zwingend in einer vornehmen Präsentation eines mandatierten Beraters daherkommen oder in sonst einer Papierform. Es ist auch nicht zwingend, dass eine oder mehrere der oben erwähnten Methoden aus dem Strategie Werkzeugkasten zum Einsatz kamen.

Nichtsdestotrotz können solche Methoden eine zielführende Orientierungshilfe bieten und es ist prinzipiell auch sinnvoll, die Strategie schriftlich festzuhalten, sodass sie einfach teilbar ist und sodass die Strategie einen gewissen Prozess durchlaufen ist. So kann besser sichergestellt werden, dass ein gemeinsamer strategischer Nenner geschaffen wurde und alle dieselbe Strategie verfolgen. Man kann also zwar ohne expliziten Strategieprozess erfolgreich sein, doch der Prozess einer gemeinsamen Strategieentwicklung kann ein Team zusammen bringen und auf ein gemeinsames Ziel einschwören.

Die vier Schritte der Strategieentwicklung

Auch für jene, die Strategie schon fast als Schimpfwort empfinden und viel lieber vorwärts machen, anstatt einen weiteren Papiertiger zu entwickeln, lohnt sich die aktive Auseinandersetzung. Und dafür gibt es ein paar einfache erste Schritte mit ein paar beispielhaften Fragestellungen:

  1. IST-Analyse: Wo stehen wir heute? Wo sind wir stark? Wo nicht? Was beschäftigt uns oder wo tut es weh? Wo besteht Handlungsbedarf? Wo unterscheiden wir uns am meisten von Mitbewerbern? Welche Kunden, Produkte oder Dienstleistungen sind gegenwärtig die profitabelsten oder relevantesten? Einige der oben erwähnten Strategiemethoden aus unserem Werkzeugkasten können hier zum Einsatz kommen.
  2. SOLL-Analyse: Was ist unser Ziel? Wo wollen wir hin? Was sind unsere Ambitionen? Welche Kunden möchten wir bedienen? Auch hier können wir uns bei den oben vorgestellten Strategieentwicklungsmethoden bedienen.
  3. Umsetzungsplan: Wie erreichen wir das Ziel? Auf welche zwei, drei Massnahmen sollten wir fokussieren? Was ist unser «Nordstern» (mehr dazu später)? Wer muss welche Rollen einnehmen? Wie vermitteln wir die Strategie? Wie gestalten wir den Veränderungsprozess? Wie messen wir den Erfolg?
  4. Umsetzung: Wurden die Massnahmen tatsächlich angepackt und umgesetzt? Müssen wir die Planung basierend auf neuen Daten und Informationen anpassen?

Wer durch diese vier Schritte hindurch geht, wird einen Strategieprozess komplett von Anfang bis Ende durchgezogen haben. Frustrationen entstehen, wenn einer oder gar mehrere dieser Schritte ausgelassen werden. Und dies passiert leider öfter, als man vielleicht annehmen würde. Die gute Nachricht ist: Wir können alle selbst steuern, ob aus einem Strategieprozess nur ein weiterer Papiertiger entsteht (wenn nach Schritt zwei oder drei gestoppt wird) oder ob wir tatsächlich die Veränderung hin zu einer besseren Zukunft anstossen und umsetzen.

Fünf Leitfragen für die Strategie

Innerhalb dieser vier Schritte können einige Leitfragen hinzugezogen werden. Einige davon wurden oben schon in der Auflistung erwähnt. Weitere kommen hier hinzu.

Die folgenden Leitfragen wurden vom erfolgreichen amerikanischen Manager A.G. Lafley angewendet und sind im gemeinsam mit Roger L. Martin verfassten Buch «Playing to Win: How Strategy Really Works» ausführlich erläutert. Diese Leitfragen sollen zu strategischen Entscheidungen, Priorisierungen und Aktivitäten führen und lassen sich problemlos innerhalb den obigen vier Schritten einfügen:

  • Was ist unsere Ambition?
  • In welchem Bereich wollen wir aktiv sein – und wo nicht?
  • Wie sind wir in diesem abgesteckten Bereich oder Markt erfolgreich?
  • Welche Kernkompetenzen benötigen wir für den Erfolg?
  • Welche Management-Systeme müssen etabliert werden für den Erfolg?

Die Ambition ist eng verwandt mit der SOLL-Analyse, wo Visionen und Ziele formuliert werden. An dieser Stelle könnte ebenfalls die Frage nach dem Wieso und den Werten hinzugefügt werden. In der Regel könnte die Ambition einem Schema folgen wie beispielsweise «Wir sind überzeugt, dass … (Werte und das Wieso). Deshalb wollen wir … (Ambition: die besten, kundenorientiertesten, zuverlässigsten etc.)».

Mit dem Bereich oder Markt ist gemeint, dass man sich im Klaren sein muss, welche Kunden man ansprechen will, in welchen Ländern oder Regionen man aktiv sein will, in welcher Thematik man sich positionieren will etc. (denken wir dabei zurück an das IKEA Beispiel). Genauso wichtig ist auch die Fokussierung, in gewissen Märkten nicht aktiv zu sein, sodass man sich mit seinen beschränkten Ressourcen nicht verzettelt.

Die Frage nach dem Wie (im englischen Original des Buches ist heisst diese Frage «How to win?») ist natürlich stark verwandt mit dem oben erwähnten Umsetzungsplan (Schritt drei von vier). Und dieser ist zentral, denn viel zu oft hat eine Organisation eine Vision oder ein Zielbild formuliert, hört dann aber auf. Ohne die Übersetzung der abstrakten Strategie in konkrete Massnahmen wird keine Strategie jemals erfolgreich sein und Wirkung entfalten.

Mit der Frage, wie man gewinnen will, werden auch dem Umsetzungsplan vorgelagerte Punkte angesprochen wie beispielsweise gewisse Eigenschaften, die Produkte haben müssen oder bestimmte Partnerschaften, die etabliert werden müssen. Diese Frage ist also insgesamt wichtig und zielführend, um herauszufinden, wo es sich lohnt viel zu investieren oder sich auf eine höhere Komplexität einzulassen – und wo nicht. Bei diesem Schritt können wir auch zurückdenken an das Aktivitätensystem von IKEA. Das Aktivitätensystem ist eine möglichst einzigartige, synergiereiche Ansammlung von Entscheidungen und Antworten auf die Frage, wie wir gewinnen wollen.

Die Kompetenzen sind ausschlaggebend für den Erfolg. Hier lohnt sich die Auseinandersetzung mit der Frage, welche Ressourcen oder Kompetenzen wir schon intern zur Verfügung haben, welche wir noch zusätzlich benötigen und wie aufwändig es ist, diese zu entwickeln. Ebenfalls kann es gut sein, dass man nicht alle Kompetenzen (konstant zu jederzeit) bei sich intern haben muss, sondern vielleicht auch extern eingekauft werden können.

Man könnte sich zum Beispiel fragen, ob man gewisse IT-, Marketing- oder andere Kompetenzen bei sich intern haben muss oder hierfür mit einem externen Partner zusammenarbeitet, weil die Fähigkeiten nicht zu den Kernkompetenzen gehören.

Mit den Management Systemen sind Prozesse gemeint wie z.B. die Frage, wie der Strategieerfolg regelmässig gemessen werden kann, welche Organisationsstruktur am passendsten ist für die Strategie etc.

Beim Beantworten dieser fünf Leitfragen ist wichtig zu betonen, dass es ein nicht-linearer, iterativer Prozess ist. Damit ist gemeint, dass die Antwort auf eine Frage einen Einfluss auf eine vor- oder nachgelagerte Frage haben kann. Wenn Sie die Leitfragen bei Ihnen intern diskutieren, sollten Sie also nicht davor zurückscheuen, zwischen den Fragen hin und her zu springen und Konkretisierungen oder sonstige Anpassungen vorzunehmen. Dieses Vorgehen ist nochmals in folgender Grafik illustriert.

Nordstern: der Strategiestern am Himmel

Früher war der Nordstern ein wichtiges Instrument in der Seefahrt. Die Hochseeschifffahrt reicht bis 7000 vor Christus zurück und an diesem Stern konnten sich Seefahrer orientieren und wussten dank dem Himmelskörper stets, wo Norden lag.

Als Metapher kann der Nordstern auch auf die Strategie übertragen werden, ist der Stratege Thierry Kneissler überzeugt, dessen Strategieerfahrung ebenfalls eine wichtige Quelle für dieses Handbuch darstellt. Der Nordstern kann sowohl bei der SOLL-Analyse wie auch in der Umsetzungsplanung angesiedelt werden.

Im strategischen Zusammenhang ist mit dem Nordstern eine einzige, aussagekräftige und gut verständliche Kennzahl gemeint, anhand derer die Strategie überprüft werden kann und anhand derer man erkennt, falls man mit dem eigenen Schiff vom Kurs abkommt.

Der erste Reflex wäre vielleicht, dass man finanzielle Kennzahlen wie den Gewinn als Nordstern fixiert. Doch das ist nicht die Idee. Der finanzielle Erfolg ist immer ein Resultat respektive eine Konsequenz des unternehmerischen Schaffens und nicht ein Selbstzweck. Und deshalb zielt der Nordstern auch auf Kennzahlen des unternehmerischen Wirkens.

So ein unternehmerischer Nordstern sollte nach Kneissler einige Eigenschaften erfüllen:

  • Jede Person in der Organisation kann zum Nordstern beitragen und sich daran orientieren.
  • Der Nordstern muss etwas mit dem Kunden und deren Verhalten zu tun haben und nicht mit einer rein internen Zahl.
  • Die Kennzahl sollte sich in Bewegung befinden und sich in nützlicher Frist verändern, sodass Trends erkannt werden können.
  • Die Kennzahl muss in regelmässigen Abständen gemessen werden können (z.B. monatlich), sodass man auch eine Kurskorrektur vornehmen kann, bevor es zu spät ist.

Wenn man diese Eigenschaften zusammenträgt, könnte ein Nordstern beispielsweise bei einem digitalen Produkt wie einer App die Zahl der aktiven Nutzer pro Monat sein. Gehen wir die obigen Eigenschaften kurz durch:

  • Alle im Unternehmen – vom Marketing-Mitarbeitenden bis zur IT-Fachkraft – können einen Effekt auf diesen Nordstern haben. Wenn gut verkauft wird und das IT-System gut läuft, kann auch die Zahl aktiver Nutzer steigen. Hingegen würde es keinen Sinn machen, die Anzahl Verkaufsgespräche aus dem Marketing als Nordstern für das gesamte Unternehmen zu setzen.
  • Die Anzahl aktiver Nutzer pro Monat spiegelt direkt das Verhalten des Kunden wider und hält somit fest, ob die Kunden die App wiederholt nutzen oder nach einmaligem Verwenden abspringen.
  • Die Kennzahl befindet sich stets in Bewegung, Trends sind klar erkennbar und die Kennzahl kann auch einfach gemessen werden – theoretisch täglich, wöchentlich, monatlich, jährlich.

Strategieentwicklung als Gespräch

Offensichtlich können und sollen die obigen Leitfragen und Strategieschritte nicht im stillen Kämmerlein für sich alleine bearbeitet werden. Es ist nicht empfehlenswert, die vier Strategieentwicklungsschritte oder den Nordstern ohne Einbezug anderer Personen zu durchlaufen. Strategieentwicklung ist ein partizipativer, kollaborativer Prozess. Deshalb stellt sich die Frage, wie mit anderen Kolleginnen und Kollegen oder Sparring Partnern konstruktive, effektive Gespräche für die Entwicklung und Prüfung von Strategieideen geführt werden können.

Um das Gespräch zu lancieren, sind hier ein paar passende Fragestellungen aufgelistet:

  • Wo besteht Handlungsbedarf, wie gross ist dieser und warum?
  • Was muss wahr sein oder was muss eintreffen, damit die Strategie oder die Massnahme funktioniert? (Eine praxiserprobte Frage des oben genannten Managers A.G. Lafley)
  • Was müssen wir wissen respektive welche Informationen müssen wir haben, damit wir eine Entscheidung fällen können? (Informationen sammeln ist wichtig, aber man muss es auch nicht übertreiben und das Sammeln von Informationen als verdeckte Ausrede instrumentalisieren, um keine Entscheidungen fällen zu müssen. Letztlich müssen Führungspersönlichkeiten auch unter Unsicherheit entscheiden können.)
  • Was ist unser Nordstern?
  • Bist du persönlich überzeugt von unserer aktuellen Strategie respektive vom aktuellen Zwischenstand der Strategieentwicklung? (Hier sollte kein «group think» oder Herdentrieb entstehen, sondern jede Einzelperson sollte für sich unabhängig überzeugt sein – und das lässt sich eher in informellen Gesprächen herausfinden und kaum in formellen Sitzungen.)

Besonders hervorheben möchte ich die Frage, was wahr sein oder eintreffen muss, damit eine Strategie funktioniert. Diese Frage hat einige Stärken: Zum einen verhindert die Art, wie die Frage gestellt wird, eine blockierende Haltung im Stile von «das funktioniert sowieso nicht». Die Frage zielt nämlich darauf ab, was gegeben sein muss, damit eine Idee funktioniert, und bekämpft damit den Reflex vieler Gesprächspartner, eine Idee entweder vorzeitig als unnütz oder unmöglich abzuschmettern. Ebenfalls spornt die Fragestellung zu kreativem Denken an, öffnet den Horizont und ist auch eine Einladung, um die wichtigen Skeptiker konstruktiv in den Dialog einzubinden.

Zum anderen ist die Frage, was wahr sein muss für den Erfolg einer Strategie oder Massnahme und die daraus entstehende Auflistung von verschiedenen Faktoren auch eine wertvolle Analyse respektive Zerlegung eines grösseren Sachverhalts in konkrete Einzelfaktoren. Solche Einzelfaktoren könnten sein, dass die Firma deren IT-Team mit zusätzlichen Personen mit neuen Kompetenzen verstärken muss, dass der Markt ein Produkt mit gewissen Eigenschaften tatsächlich haben will, dass in den kommenden Jahren eine gewisse Summe in Produkteentwicklung investiert wird, dass die Expansion in ein anderes Land gelingt etc.

Diese Zerlegung in Einzelfaktoren erlaubt in einem nächsten Schritt die verschiedenen Faktoren zu beleuchten. Auf diesem Weg kann besser evaluiert werden, ob eine Strategie auf eine Konstellation vieler schwieriger Umstände angewiesen ist oder ob die Strategie mit angemessenen Risiken weiterverfolgt werden kann. Für die Risikobeurteilung können wir uns unter anderem auf die Rumsfeld-Matrix zurückbesinnen.

Die Einzelfaktoren haben ebenfalls den Vorteil, dass sie Achillesfersen der Gesamtstrategie aufzeigen können. Damit ist gemeint, dass unter Umständen das Strategiekartenhaus wegen einem Einzelfaktor zusammenbricht, sollte dieser nicht erfüllt werden. Wenn von jedem Vorschlag dank der Fragestellung, was für den Erfolg wahr sein muss, die Achillesferse gefunden wird, und auf ebendiese in einem Strategieentwicklungsgespräch sehr früh fokussiert wird, beschleunigt dies die Entscheidungsfindung ungemein und spart allen Beteiligten viel Zeit.

Das Strategie-Mindset

Für die Strategieentwicklung im Gespräch oder auch bei einem inneren Strategiedialog ist es wichtig, mit dem passenden Mindset – also der richtigen Geisteshaltung und Einstellung – an das Thema heranzutreten.

Weil Strategie mit Langfristigkeit zu tun hat und sich mit der Zukunft der Organisation beschäftigt, ist es natürlich schon einmal wichtig, nicht in der Hektik und der Zerstreutheit des Tagesgeschäfts strategische Überlegungen zu machen. Erste Gedanken für eine neue Strategie müssen nicht bei der Arbeit entstehen. Inspiration kann überall kommen: beim Sport, beim Bier mit Kolleginnen und Kollegen, beim Spaziergang mit dem Hund etc.

Es lohnt sich, auf Distanz zu gehen, sich Raum und Zeit zu nehmen, um Gedanken und Gespräche befreit von Ablenkungen (Flugzeugmodus auf dem Smartphone aktivieren!) entstehen zu lassen. Ein halbstündiges Zeitfenster einmal zwischen 10.30 – 11.00 Uhr an einem Dienstag wird nicht funktionieren. Ohne diesen Rahmen mit ausreichend Raum und Zeit läuft man Gefahr, nicht das grosse Ganze im Auge zu haben.

Es ist gut möglich, dass sich in der Frühphase der Strategieentwicklung informellere Umgebungen besser eignen als ein steriles Sitzungszimmer. Letzteres kommt dann noch früh genug zum Einsatz, wenn es um die Analyse und Ausarbeitung der Details geht. Oftmals merken die Beteiligten während dem Prozess, wenn man die konzeptionelle Essenz gefunden hat und nun in die nächste Phase mit mehr Details und tieferen Abklärungen übergehen kann.

Zudem sollte eine motivierend wirkende, realistisch-optimistische Grundhaltung mitgebracht werden, die neue Ideen zulässt, solange diese nicht gerade an blinder Naivität grenzen. Wir reden also gewissermassen von einem fundierten Optimismus. Skeptizismus ist zugelassen, Nörgeln hingegen nicht.

Diese Grundhaltung muss angereichert sein mit Informationen zu einigen Faktoren, die man als Basisinformationen bezeichnen könnte. Zum Beispiel:

  • Ein Gespür für die allgemeine Situation resp. die «Grosswetterlage»
  • Kenntnisse über den Markt
  • Verständnis für die relevanten Trends und strukturellen Veränderungen
  • Ein Bewusstsein für den Zustand der Organisation
  • Ein Verständnis für die verschiedenen Interessenslagen der wichtigsten Akteure in der Organisation
  • Ein Überblick über die verfügbaren Ressourcen und Kompetenzen in der Organisation
  • Vielleicht auch gewisse Kenntnisse von den Plänen und Strategien der Mitbewerber

Mit einem reichhaltigen und facettenreichen Mix an Basisinformationen schafft man eine gesunde, konstruktive Ausgangslage und verhindert, sich in irgendwelche Illusionen hineinzusteigern. Und dieser wertvolle Mix kommt in der Regel dank der Mitwirkung von ein paar wenigen Personen mit verschiedenen Hintergründen zustande. Eine Kerngruppe von beispielsweise drei, vier Personen ist in der Frühphase effektiver als eine gesamte Arbeitsgruppe mit 30 Personen.

Sobald man startklar ist, bringt man sowohl sein kritisch-analytisches als auch sein kreativ-visionäres Denken mit und lässt regelmässig auch dem Bauchgefühl Raum, um artikuliert zu werden. Wichtig während dem Prozess ist, dass man sich nicht auf eine Linearität versteift, sondern virtuos und iterativ zwischen verschiedenen Fragestellungen oder Abschnitten im Prozess hin- und herspringt, denn eine Strategie ist ein komplexes Konstrukt mit vielen gegenseitigen Abhängigkeiten (denken wir z.B. zurück an das verwobene Aktivitätssystem). So kann beispielsweise eine neue Erkenntnis auf die Frage der verfügbaren Ressourcen einen Einfluss haben auf die Frage, auf welchen Markt oder welche Zielgruppe man sich fokussiert oder eine Entscheidung im Umsetzungsplan (Schritt drei von vier) hat eine Schärfung der SOLL-Analyse (Schritt zwei von vier) zur Folge.

Diese Art der Gehirn-Akrobatik erfordert auch Ruhephasen. Daher kann es zielführend sein, anstatt zweier aufeinanderfolgender Workshop-Tage ein vergleichbares Zeitbudget auf mehrere Abende über ein paar Wochen zu verteilen. Dies bringt zusätzlich den Vorteil mit sich, dass der jeweilige Zwischenstand der Strategieentwicklung in den Ruhephasen von den Beteiligten individuell reflektiert werden kann, vielleicht lassen sich ein paar Recherchen erledigen in der Zwischenzeit und mit ein bisschen Inkarnationszeit kann auch die Frage, ob man so weit vom Strategieprototypen überzeugt ist, besser beantwortet werden.

Solche Zeitabstände und Ruhephasen sind auch wichtig, damit nicht nur extrovertierte Persönlichkeiten den Prozess prägen, sondern auch die wertvollen Einschätzungen und Analysen von introvertierten Kolleginnen und Kollegen reifen und beim nächsten Treffen artikuliert werden können. All diese Faktoren erhöhen die Qualität der Strategie.

So könnten beispielsweise fünf gut vorbereitete Treffen à drei Stunden organisiert werden und folgende Schwerpunkte aufweisen:

  1. IST-Analyse
  2. SOLL-Analyse
  3. Umsetzungsplan
  4. Reflexion und ggf. Rekalibrierung (Stichwort: Strategie als nicht-linearer, iterativer Prozess und als Konstrukt mit vielen gegenseitigen Abhängigkeiten)
  5. Umsetzung

Jedem dieser Treffen geht ein klares Briefing voraus, das unter Umständen auch kleine Vorbereitungsarbeiten beinhaltet. Jedes dieser Treffen hat einen der obigen Schwerpunkte und stellt zudem Raum zur Verfügung, um Reflexionen, Recherchen, Updates etc. vom vorangehenden Treffen zu teilen, sodass jedes Treffen immer auf Grundlage der aktuellen und umfassendsten Basisinformationen aufbaut.

Während alle dem ist es – wie am Anfang des Textes erläutert – von höchster Wichtigkeit, Entscheidungen zu treffen, welche klare Prioritäten setzen und sogar gewisse Aktivitäten, Kundengruppen etc. kategorisch ausschliessen. Und das ist nicht immer angenehm, denn man könnte sich schliesslich auch falsch entscheiden und dafür zur Verantwortung gezogen werden. Doch nur mit dem Mut, Entscheidungen zu fällen, bekommt eine Strategie einen Grossteil ihrer Kraft.

Zu guter Letzt, gehört zum Mindset eines Strategen unbedingt auch die Bereitschaft, die gemeinsam entwickelte Strategie zu tragen, Menschen für Veränderungen begeistern zu wollen und bereit zu sein, den Status quo mit geduldiger Change-Management-Arbeit weiterzuentwickeln. Gerade letzteres – das Change Management – verlangt viel Aufmerksamkeit und sollte als eigenständiges, zusätzliches Thema behandelt werden. Denn Veränderung braucht Hilfe. Und entsprechend muss auch der Stratege nicht nur Visionär, sondern im Grundsatz auch ein Helfer und Vermittler sein. Dazu gehört unter anderem die Hilfestellung, dass Mitarbeitende ebenfalls in der Lage sind, im Sinne der festgelegten Strategie Abwägungen vorzunehmen und Entscheidungen zu treffen. Wer diese Eigenschaften nicht mit sich trägt, muss Partner mit an Bord holen, welche die eigenen Stärken ergänzen.

Die Sprache der Strategie

Früher oder später kommt der Punkt, an dem die abstrakte oder visionäre Strategie übersetzt und übertragen werden muss in den Lebensalltag von Mitarbeitenden, welche konkrete Prozesse und Ziele für ihren eigenen Bereich benötigen.

Diese Übertragung umfasst im ersten Schritt die Vermittlung des grossen Ganzen für die gesamte Organisation und die wichtigsten Massnahmen. Dazu gehören die Vision der Organisation, der Nordstern und die Stossrichtung ein paar weniger Massnahmen, die auch die Fokussierung und Priorisierung verdeutlichen. Mit dieser Übersicht wird allen klar, woran nun die verschiedenen Teams als Ganzes, als Firma hinarbeiten. In der Kürze liegt die Würze: Eine Strategie, die wichtigsten Massnahmen und den Nordstern auf einer einzigen Präsentationsfolie verständlich vermitteln zu können, ist eine Kunst und Stärke; nicht ein Zeichen einer zu wenig ausgereiften Arbeit.

Innerhalb von Teams und auf der persönlichen Ebene kann die abstrakte Strategie in sogenannte «Objectives and Key Results» (OKR) – also persönliche Ziele und Resultate, die erzielt werden sollen – übersetzt werden.

Während diesem dezentralen Prozess, wo die verschiedenen Teams innerhalb einer Organisation aus dem grossen Ganzen ihre eigenen OKR ableiten, wird an den Bindegliedern zum Beispiel zwischen einer Führungsperson auf Team- und auf Bereichsebene oftmals auch verhandelt.

Wichtig ist auf jeden Fall, dass die Menschen, welche ganz nahe an den konkreten Aufgaben und Arbeitsschritten in einem Team sind, miteinbezogen werden, da diese oftmals im Gespräch am besten beurteilen können, wie zum Erfolg beigetragen werden kann. Dadurch entsteht also im Idealfall eine partizipativ entwickelte und breit getragene Sammlung an Zielen für einzelne Bereiche und Personen mit dem besten aus beiden Welten – dem Wissen und den Erfahrungswerten «von der Front» sowie den Visionen und dem Weitblick von den Strategen mit dem Gesamtbild.

Festzuhalten ist, dass die Strategieanalysen, Massnahmen, OKR etc. keineswegs in einem Strategiejargon gemacht werden müssen. Im Gegenteil: Je näher die Sprache der Strategie an der echten Sprache der Mitarbeitenden ist, umso grösser die Wahrscheinlichkeit, dass die Strategie verstanden und mitgetragen wird, anstatt dass sie vom Immunsystem der Organisation als Fremdkörper eingestuft und abgestossen wird.

Die Vermittlung der Strategie ist also ein äusserst wichtiger Schritt. Als Grundsatz gilt: Eine gemeinsam entwickelte Strategie lässt sich besser vermitteln. Das heisst, schon in der Entstehungsphase lohnt sich ab einem gewissen Punkt das Miteinbeziehen verschiedener Gruppen. Eine Strategie kann und sollte also auch nach einem partizipativen Prinzip der «Co-Creation» entwickelt werden, damit auch der sehr wichtige kulturelle Faktor einer Organisation in die Strategie einfliessen kann.

Strategie in der VUCA-Welt

Wie zu Beginn dieses Textes geschrieben, sollten Strategien per Definition eine langfristige Sicht einnehmen und nicht alle paar Monate neu geformt werden und auf jeden Trend oder jeden Hype reagieren. Doch gleichzeitig muss sich eine gute Strategie auch den neuen Realitäten der Welt anpassen, um erfolgreich sein zu können. Heute mehr denn je, ist dies ein herausfordernder und anspruchsvoller Balanceakt.

Die heutige Welt wird oft mit dem Akronym VUCA beschrieben. VUCA entstammt dem Englischen und steht für Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity; also Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit. Damit soll beschrieben werden, dass sich die Welt schneller verändert und schnell auch grössere Veränderungen passieren können (Volatilität), dass viele Entwicklungen dadurch auch als weniger sicher und stabil gelten (Unsicherheit) oder auch, dass aufgrund der Komplexität keine eindeutigen Interpretationen der Welt mehr möglich sind und wir uns deshalb mit der Mehrdeutigkeit von Situationen und Informationen abfinden müssen.

Ein kleines Anschauungsbeispiel hierfür finden wir in der Beobachtung, wie schnell sich neue Technologien / Produkte in der Gesellschaft jeweils ausgebreitet haben. Die Erfindung des Telefons brauchte über 50 Jahre, um in der USA in 50 Prozent der Haushalte zu stehen. Das Smartphone brauchte für denselben Meilenstein lediglich etwas mehr als fünf Jahre. Ebenfalls beachtlich: Während 1960 eine Firma im S&P 500 Index durchschnittlich rund 60 Jahre alt wurde, betrug das Durchschnittsalter im Jahr 2010 im selben Index nur noch 15 Jahre. Diese Entwicklungen sind Anzeichen einer VUCA-Welt, in der Strategieentwicklung und -weiterentwicklung anspruchsvoller ist denn je.

Wie also vorgehen? Wie kann man vorübergehende Trends und strukturellen Wandel als solche erkennen und richtig einschätzen? Auf der einen Seite muss man sich daran gewöhnen, die Schnelllebigkeit auszuhalten und Besonnenheit zu wahren, anstatt in einen nervösen, reaktiven Modus zu verfallen. Diese Komponente ist sicher ein Plädoyer an die Erfahrung und Weisheit.

Auf der anderen Seite darf Besonnenheit nicht in Trägheit, Selbsttäuschung oder Ignoranz kippen. Und hier kann Erfahrung eher ein Nachteil sein, weil wir von langjährigen Erfahrungen geprägt werden und dadurch abrupte Veränderungen unterschätzen oder gänzlich übersehen können. Hier ist also der frische Geist von jungen oder querdenkenden Persönlichkeiten von grossem Nutzen. Angelehnt an Rumsfeld könnten diese Persönlichkeiten dazu beitragen, dass die «unknown knowns» (das unbekannte Wissen) erschlossen und damit «blinde Flecken» reduziert werden können.

Das Vereinen dieser beiden Seiten – Erfahrung und Weisheit auf der einen sowie die «jugendliche Frische» oder das Querdenkertum auf der anderen Seite – führt uns also wieder zurück zur Wichtigkeit des Dialogs zwischen verschiedenen Perspektiven. Es ist also strategisch von hoher Relevanz, Dialogplattformen einzurichten, zu kultivieren und zu konsultieren. In diesem Sinne ist es ein unnötiges Risiko, wenn Verwaltungsräte oder andere Entscheidungsorgane praktisch nur aus älteren, erfahrenen Personen bestehen und nicht auch mit jüngeren oder zumindest unkonventionellen Persönlichkeiten und deren Weltsicht ergänzt werden. Strategiebildung in der VUCA-Welt hat also viel mit Zuhören zu tun.

Ein diversifiziertes Strategieportfolio

Ein weiterer Ansatz für die Strategieentwicklung in einer VUCA-Welt kann der Portfoliotheorie aus der Finanzwelt entnommen werden: Genauso wie man ein Finanzportfolio breit diversifiziert mit verschiedenen Anlageklassen wie beispielsweise Aktien oder ETF, Obligationen oder Immobilien, um sich so gegen verschiedenste Marktereignisse und -risiken abzusichern, sollte auch ein Strategieportfolio diversifiziert sein und verschiedene Szenarien beinhalten, sodass die Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit gut abgedeckt ist. Entscheidend ist dann, dass kein Strategieszenario für sich genommen ein so grosses Risiko darstellt, dass es das gesamte Portfolio zum Einsturz bringen kann.

Eine weitere Inspiration lässt sich in der Welt der Venture Capitalists (VC) respektive Risikokapitalgeber finden: Ein VC investiert in Start-ups, von denen insbesondere in deren frühen Stadium kaum abschätzbar ist, ob sie erfolgreich sein werden oder nicht. Um dies abschliessend einschätzen zu können, ist die Welt schlicht zu sehr VUCA. Was VC dagegen tun, ist in mehrere verschiedene Start-ups zu investieren und damit ihr Portfolio zu diversifizieren. Dem zugrunde liegt die Kalkulation, dass wenn ein Start-up von zehn sehr erfolgreich sein wird, dieser Erfolg die Verluste oder durchschnittlichen Investments der neun anderen Jungunternehmen kompensieren wird. Ein VC hat es mir gegenüber einmal so formuliert: «Ich bin ein Ingenieur und kein Geschäftsmann, denn ich denke in Magnituden und nicht in Margen». Was er damit zum Ausdruck bringt, ist, dass er lieber bei einem Start-up das zehnfache rausholt und bei anderen riskanten Einsätzen etwas verliert, als dass er überall versucht, ein paar marginale Prozente Gewinn zu sichern.

Übertragen auf Strategie könnte man es wohl so formulieren: Nicht jedes Strategieszenario im Portfolio muss funktionieren. Einzelne Szenarien dürfen scheitern, solange das Scheitern nicht das gesamte Portfolio bedroht und sich im Portfolio auch ein Strategieszenario befindet, dass den Nagel auf den Kopf trifft.

Zusammenfassung

Dieses Strategiehandbuch hat versucht, einen unverkrampften, pragmatischen Einstieg in das Thema Strategieentwicklung zu bieten. Strategie kennt viele Definitionen doch das gemeinsame Element ist die Langfristigkeit sowie die Bestrebung, eine gewisse einzigartige Positionierung u.a. mithilfe eines gut verwobenen Systems verschiedener Entscheidungen und Aktivitäten zu finden. Jede Strategie ist eine Sammlung zahlreicher (anspruchsvoller) Entscheidungen.

Mit einer Strategie will man eine langfristige Vision in die Realität umsetzen. Dafür braucht es mindestens die vier Schritte der IST-Analyse, SOLL-Analyse, den Umsetzungsplan und letztlich die Umsetzung an sich. Bei der Strategieentwicklung sollte man sich viele Fragen stellen wie zum Beispiel: Wie sieht Erfolg aus? In welchem genau abgesteckten Bereich wollen wir erfolgreich sein? Was brauchen wir, um erfolgreich zu sein? Welche Bedingungen müssen eintreffen, damit die Strategie funktioniert? Auch zahlreiche Methoden und Werkzeuge wie die SWOT-Analyse, Wettbewerbsanalyse u.v.m. können Orientierung bieten, um für den Strategieprozess eine gute Ausganslage zu schaffen.

Ein wichtiges Element von Strategieprozessen ist nicht nur die Strategieentwicklung mit einem fundiert optimistischen Mindset und einem partizipativen Ansatz, sondern auch die Vermittlung der Strategie. Hierfür ist es wichtig, verständliche Ziele zu formulieren (Stichwort Nordstern) und auf Jargon zu verzichten. Je vertrauter die Sprache, in der die Strategie formuliert ist, desto wahrscheinlicher ist, dass die Strategie mitgetragen und gelebt werden kann. Das Change Management ist dabei eine wichtige Thematik für sich.

In der heutigen Welt geprägt von schnellen Veränderungen und gesteigerter Komplexität (VUCA) ist auch die Strategieentwicklung anspruchsvoller geworden. Deshalb ist es angebracht bei der Strategie in verschiedenen Szenarien zu denken.

Die Ansätze, Leitfragen und Entwicklungsschritte verschiedener Strategieexperten, welche in diesem Text vorgestellt wurden, sind im Sparkr Framework für Strategieentwicklung zusammengetragen (siehe Abbildung auf der folgenden Seite).

Das Strategie Handbuch ist auch als praktisches PDF zum Download verfügbar

Wenn Sie diesen Artikel auf Deutsch gerne jederzeit verfügbar haben möchten, können Sie ihn ganz einfach als PDF herunterladen.

Quellen

Als wertvolle Quellen für dieses Strategiehandbuch haben unter anderem die Bücher «Playing to Win» von A.G. Lafley und Roger L. Martin, Michael Porters Publikation «What is Strategy?» gedient.

Herzlicher Dank geht auch an den Strategieberater Thierry Kneissler für das aufschlussreiche Gespräch, welches in Schweizer Dialekt als Podcast («be-inspired Podcast», erhältlich auf allen Podcast-Portalen) verfügbar ist und im Auftrag der Berner Standortförderungsagentur be-advanced von Sparkr produziert wurde.

Ebenfalls herangezogen wurden verschiedene online Berichte zu den im Text erwähnten Methoden und Werkzeuge sowie natürlich auch persönliche Erfahrungswerte und Überlegungen des Autors.

Über den Autor

Christian Lundsgaard-Hansen ist Inhaber von Sparkr, einer Agentur für Change Maker. Der Schweizer ist als unabhängiger, strategischer Sparring Partner und Coach für Entscheidungsträger in Sachen Strategie und Change Management tätig. Ferner ist Christian Lundsgaard-Hansen als Moderator und Podcaster aktiv. Im Sparkr Podcast spricht er mit führenden Köpfen zu Themen wie Leadership, Technologie und Innovation. Dazu gehören u.a. Trainerlegende Ottmar Hitzfeld, Abenteurer Bertrand Piccard, Marketing-Experten von Apple, erfolgreiche Start-up Investoren oder Experten für künstliche Intelligenz

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